
 [1]Der 8. Juni 2006 war für mich und meine Familie ein kleiner Festtag, denn mein erstes Grosskind feierte seinen 4. Geburtstag. Als ich jedoch an diesem frühen Sommermorgen in den Stall kam, um die Tiere zu füttern, sah ich sofort, dass mit meinem 31jährigen Esel Giorgio etwas nicht stimmte. Er stand ganz ruhig in der hinteren Ecke seiner Box, und als ich ihm sein Futter in die Krippe reichte, kam er nicht her, um zu fressen. Auch das vorgelegte Heu blieb unbeachtet. Der Wasserkessel war vom Vorabend her noch randvoll. Da Giorgio aber keine Unruhe zeigte und in der Boxe reichlich Mist lag, schien keine Kolik vorzuliegen. Trotzdem rief ich den Tierarzt, um Giorgio untersuchen zu lassen. Die Untersuchung ergab keinen klaren Befund. Der Tierarzt spritzte Giorgio ein krampflösendes und schmerzlinderndes Mittel, gab mir ein paar Fütterungsanweisungen und riet mir, Giorgio gut zu beobachten. Im Verlauf des Tages änderte sich an Giorgio’s Zustand nichts. Er verweigerte Futter und Wasser, und auf dem erlaubten einstündigen Weidegang rupfte er nur wenige Gräslein. Er schien ganz friedlich und schmerzfrei zu sein und stand ruhig auf seinem Aussenplatz an der Sonne. 	  Beunruhigend für mich war, dass er vom Morgen weg nicht mehr mistete. Als gegen Abend alles unverändert blieb, besprach ich mich nochmals mit dem Tierarzt. Er legte mir schonend dar, was für Optionen noch offen waren. Entweder musste Giorgio zu gründlichen Untersuchungen in eine Tierklinik gebracht werden, oder ich musste mich entscheiden, ihn „über den Regenbogen“ zu entlassen, bevor ein schweres Leiden einsetzen würde.  Ich ging ins Haus, um in mich hineinzuhorchen. Giorgio, seit 22 Jahren gesund und munter bei seinen Pferde- und Eselgefährten, sollte nun aus allem herausgerissen werden, allein in einer Klinik Untersuchungen über sich ergehen lassen müssen… und dann? Wenn sich der Verdacht des Tierarztes bestätigen würde, dass evtl. ein Darmtumor den Darmausgang verschliessen könnte: wäre dem 31jährigen Tier eine Operation überhaupt noch zumutbar? Und wenn er es überlebte: was würde folgen?  In meinem Innern kämpfte das Herz gegen den Verstand. Einmal mehr ging es um die Frage: „Loslassen“… oder „Festhalten“… um jeden Preis… Ich entschloss mich, hinaus zu gehen und zu schauen, ob Giorgio selbst mir ein Zeichen geben würde. Reglos, still und friedvoll in sich gekehrt stand er noch immer am selben Platz. Ich kniete neben ihm auf den Boden, legte einen Arm um ihn und fragte ihn einfach: „Giorgio… möchtest du heimkehren? Bist du bereit?“ Da legte Giorgio in einer unendlich zärtlichen Bewegung seinen Kopf in meine Arme. – Ich hatte seine Antwort erhalten.  Ich ging ins Haus und rief nochmals den Tierarzt an. Wir besprachen das weitere Vorgehen. Da sich Giorgio (wie fast alle Esel) bei jeder intravenösen Behandlung heftig zur Wehr setzte, beschlossen wir, ihn durch einen Bolzenschuss zu erlösen, und ich organisierte die zuständige Person.  Eine knappe Stunde vor deren Eintreffen führte ich Giorgio zusammen mit seinem „Weggefährten“, dem Pferd Irish Dancer, noch ein letztes Mal auf die Weide. Die warme Abendsonne leuchtete, und die beiden Kameraden grasten miteinander. Es war ein unvergesslicher Augenblick, der mir immer im Gedächtnis bleiben würde.  Es war kurz nach 20 Uhr, als das Auto vorfuhr. Ich führte meinen kleinen, grossartigen Esel nahe an den Weideausgang; Irish blieb ruhig im oberen Teil stehen.  Der Schuss fiel, ohne dass Giorgio oder ich die Bewegung der Waffe realisiert hätten. Giorgio war augenblicklich tot. Ich stand neben ihm, erschüttert – und ganz tief dankbar. Mein grosser Lehrmeister in Geduld, Stoik und Langmut, aber auch in Schalk, Ausgelassenheit und Lebensfreude, würde dieses irdische Leben nun nicht mehr mit mir teilen. Aber ich wusste: er würde mich aus den „happy lands“ weiterhin begleiten, beschützen und lehren.  Giorgio bleibt unvergessen, nicht nur für mich, sondern für seine anderen Betreuer und für alle SAMANA WASI-Tiere.  Ruth Maurer, September 2006
 [1]Der 8. Juni 2006 war für mich und meine Familie ein kleiner Festtag, denn mein erstes Grosskind feierte seinen 4. Geburtstag. Als ich jedoch an diesem frühen Sommermorgen in den Stall kam, um die Tiere zu füttern, sah ich sofort, dass mit meinem 31jährigen Esel Giorgio etwas nicht stimmte. Er stand ganz ruhig in der hinteren Ecke seiner Box, und als ich ihm sein Futter in die Krippe reichte, kam er nicht her, um zu fressen. Auch das vorgelegte Heu blieb unbeachtet. Der Wasserkessel war vom Vorabend her noch randvoll. Da Giorgio aber keine Unruhe zeigte und in der Boxe reichlich Mist lag, schien keine Kolik vorzuliegen. Trotzdem rief ich den Tierarzt, um Giorgio untersuchen zu lassen. Die Untersuchung ergab keinen klaren Befund. Der Tierarzt spritzte Giorgio ein krampflösendes und schmerzlinderndes Mittel, gab mir ein paar Fütterungsanweisungen und riet mir, Giorgio gut zu beobachten. Im Verlauf des Tages änderte sich an Giorgio’s Zustand nichts. Er verweigerte Futter und Wasser, und auf dem erlaubten einstündigen Weidegang rupfte er nur wenige Gräslein. Er schien ganz friedlich und schmerzfrei zu sein und stand ruhig auf seinem Aussenplatz an der Sonne. 	  Beunruhigend für mich war, dass er vom Morgen weg nicht mehr mistete. Als gegen Abend alles unverändert blieb, besprach ich mich nochmals mit dem Tierarzt. Er legte mir schonend dar, was für Optionen noch offen waren. Entweder musste Giorgio zu gründlichen Untersuchungen in eine Tierklinik gebracht werden, oder ich musste mich entscheiden, ihn „über den Regenbogen“ zu entlassen, bevor ein schweres Leiden einsetzen würde.  Ich ging ins Haus, um in mich hineinzuhorchen. Giorgio, seit 22 Jahren gesund und munter bei seinen Pferde- und Eselgefährten, sollte nun aus allem herausgerissen werden, allein in einer Klinik Untersuchungen über sich ergehen lassen müssen… und dann? Wenn sich der Verdacht des Tierarztes bestätigen würde, dass evtl. ein Darmtumor den Darmausgang verschliessen könnte: wäre dem 31jährigen Tier eine Operation überhaupt noch zumutbar? Und wenn er es überlebte: was würde folgen?  In meinem Innern kämpfte das Herz gegen den Verstand. Einmal mehr ging es um die Frage: „Loslassen“… oder „Festhalten“… um jeden Preis… Ich entschloss mich, hinaus zu gehen und zu schauen, ob Giorgio selbst mir ein Zeichen geben würde. Reglos, still und friedvoll in sich gekehrt stand er noch immer am selben Platz. Ich kniete neben ihm auf den Boden, legte einen Arm um ihn und fragte ihn einfach: „Giorgio… möchtest du heimkehren? Bist du bereit?“ Da legte Giorgio in einer unendlich zärtlichen Bewegung seinen Kopf in meine Arme. – Ich hatte seine Antwort erhalten.  Ich ging ins Haus und rief nochmals den Tierarzt an. Wir besprachen das weitere Vorgehen. Da sich Giorgio (wie fast alle Esel) bei jeder intravenösen Behandlung heftig zur Wehr setzte, beschlossen wir, ihn durch einen Bolzenschuss zu erlösen, und ich organisierte die zuständige Person.  Eine knappe Stunde vor deren Eintreffen führte ich Giorgio zusammen mit seinem „Weggefährten“, dem Pferd Irish Dancer, noch ein letztes Mal auf die Weide. Die warme Abendsonne leuchtete, und die beiden Kameraden grasten miteinander. Es war ein unvergesslicher Augenblick, der mir immer im Gedächtnis bleiben würde.  Es war kurz nach 20 Uhr, als das Auto vorfuhr. Ich führte meinen kleinen, grossartigen Esel nahe an den Weideausgang; Irish blieb ruhig im oberen Teil stehen.  Der Schuss fiel, ohne dass Giorgio oder ich die Bewegung der Waffe realisiert hätten. Giorgio war augenblicklich tot. Ich stand neben ihm, erschüttert – und ganz tief dankbar. Mein grosser Lehrmeister in Geduld, Stoik und Langmut, aber auch in Schalk, Ausgelassenheit und Lebensfreude, würde dieses irdische Leben nun nicht mehr mit mir teilen. Aber ich wusste: er würde mich aus den „happy lands“ weiterhin begleiten, beschützen und lehren.  Giorgio bleibt unvergessen, nicht nur für mich, sondern für seine anderen Betreuer und für alle SAMANA WASI-Tiere.  Ruth Maurer, September 2006
Links:
[1] http://www.samanawasi.ch/sites/default/files/giorgio_g.jpg